Foto: Herbert List, Taverne am Meer, Kap Sounion 1937, © Herbert List Estate
Werk des Monats Juni: Herbert List, Taverne am Meer, Kap Sounion 1937
Die Sommerferien stehen kurz vor der Tür. Um die Vorfreude zu wecken oder das Fernweh etwas zu stillen, nehmen wir heute eine Aufnahme in den Blick, die vor fast 90 Jahren in Griechenland entstanden ist.
Mit Blick auf Herbert Lists Aufnahme, lässt sich das Meeresrauschen förmlich hören. Wie gerne würde man auf dem einfachen Holzstuhl im Vordergrund Platz nehmen und sich einen Frappé bestellen. List schafft es meisterhaft, die Stimmung an der Küste derart einzufangen, dass wir das Gefühl haben, selbst mitten in der Szenerie zu sein. Wenngleich die Aufnahme spontan wirkt, so besticht sie doch durch eine ausgesprochene kompositorische Finesse. Nicht nur, dass sich Hell- und Dunkelkontraste durch den Wechsel von Schatten, Sonne, Meer und Bergkette wunderbar abwechseln und damit das Motiv beleben, auch die Position der Stühle erzeugt eine besondere Spannung im Bild.
Die Aufnahme lässt sich zwar als Landschaftsfotografie kategorisieren, lässt aber ebenso Assoziationen zu Stillleben zu, die Herbert List wie kein Zweiter im 20. Jahrhundert beherrschte. Denn auch hier sehen wir zunächst nur unbelebte Gegenstände, die mithilfe des klugen Bildausschnitts eine Art Eigenleben entwickeln und unsere Imagination anregen. In seinen Stillleben griff List immer wieder auf Stilelemente des Surrealismus aber auch der Neuen Sachlichkeit zurück. Egon Vietta bezeichnete seine Aufnahmen daher als „Fotografia Metafisca“, in Anlehnung an die „Pittura Metafisica“, der sich zum Beispiel Künstler_innen wie Giorgio de Chirico widmeten.
Mit Blick auf „Taverne am Meer“ lässt sich feststellen, dass es List nicht nur um das Einfangen dieser Szene an sich ging, viel mehr ist es dem Künstler ein Anliegen, mit seiner Arbeit über das Motiv hinauszuweisen. Denn Kap Sounion hat eine Geschichte, die bis in die Antike zurückreicht: Am südlichsten Punkt der Attika lag dort der Tempel des Poseidons, der die Seefahrenden begrüßte. Doch nicht nur antike Dichter besangen den Tempel, auch auf Lord Byron und andere Intellektuelle der späteren Jahrhunderte übte der Ort eine besondere Faszination aus. List stellt sich mit seinen Fotografien in eben jene Tradition und schafft mit seiner stimmungsvollen Aufnahme einen Ausgangspunkt für uns Betrachtende, diesem besonderen Ort nachzuspüren.