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Eve Arnold Marlene Dietrich at the recording studios of Columbia Records New York City 1952 c Eve Arnold Magnum PhotosEve Arnold, Marlene Dietrich at the recording studios of Columbia Records, New York City, 1952, (c) Eve Arnold, Magnum Photos

Eine schicksalshafte Nacht mit Marlene Dietrich


Eve Arnold erhält 1952 einen Anruf, der ihre berufliche Karriere nachhaltig beeinflussen sollte. Im Auftrag von Columbia Records begleitet sie Marlene Dietrich während Aufnahmen im New Yorker Tonstudio. Wie folgenschwer dieser Auftrag sein sollte und was Eve Arnold daraus lernte, beschreibt sie in Ihrer Autobiografie:

„Der erste Filmstar, den ich in aller Ausführlichkeit fotografierte, war Marlene Dietrich. Sie war für mich ein Glücksfall, denn sie war ausgesprochen professionell. Ich lernte eine Menge aus dieser Session und wurde damit belohnt, dass sie zunächst in den USA in Esquire und dann weltweit veröffentlicht wurde. Diese eine Story war für mich der Anfang meiner Karriere als Fotografin von Berühmtheiten und Stars.

In einer regnerischen Nacht bekam ich noch spät per Telefon den Auftrag von Columbia Records, Marlene Dietrich während einer Studioaufnahme zu fotografieren, bei der sie die Lieder singen sollte, die sie während des Krieges für die alliierten Truppen gesungen hatte.
Ich hatte gehört, dass sie bei solchen Aufnahmen gewöhnlich Hose und Baskenmütze trug, doch an dem Tag erschien sie in einem kurzen Cocktailkleid, an dem ein riesiger, auffallender Diamant prangte. [...] Sie wurde von zwei Männern begleitet. Der eine war Jean Gabin und der andere [...] ihr Astrologe. [...] Er hatte entschieden, dass jene trostlose verregnete Nacht der geeignete Moment für die Aufnahme sei. [...] Sie arbeitete unermüdlich – ‚wie ein Grabenarbeiter‘ [...] von Mitternacht, als sie eintraf, bis morgens um sechs. Ich folgte ihr während der Arbeit von der Probe zur Aufnahme, zum Playback und wieder zurück, ohne jegliche Vorbehalte oder Tabus. Später erfuhr ich von unserem gemeinsamen Freund Leo Lerman, sie habe ihn gleich danach angerufen und sich beklagt, ich hätte die ganze Nacht lang Fotos von ihr gemacht. Er fragte sie, warum sie mich nicht davon abgehalten habe. Sie sagte, der Gedanke sei ihr nie gekommen, ich sei mit ‚solcher Autorität‘ aufgetreten.
Magnum [...] war von Columbia Records informiert worden, ich könne entweder fünfundzwanzig Dollar bekommen, dann würden die Negative ihnen gehören, oder aber auf mein Honorar verzichten und die Negative behalten. Natürlich entschied ich mich für letzteres. Es gab zudem die Auflage, dass Marlene die Bilder erst sichten und grünes Licht geben müsse. Und sie wollte sie sofort sehen. Ich ging gleich nach der Session in die Dunkelkammer [...]. Ich achtete darauf, dass sie auf den Abzügen so jung und attraktiv wie nur irgend möglich aussah.
Während der Arbeit erhielt ich lauter Anrufe von Columbia Records, um für den nächsten Tag ein Treffen mit Miss Dietrich zu vereinbaren, damit sie sich die Bilder ansehen könne. Ich bekam auch einen Anruf, in dem ich aufgefordert wurde, Madame Edmonde Charles-Roux, der damaligen Chefredakteurin der französischen Vogue, meine Mappe zu zeigen.
[...] Madame C. war, wie sie mir beteuerte, von meiner Mappe begeistert, doch wollte sie unbedingt wissen, was sich in dem zweiten Umschlag, den ich dabeihatte, verbarg.
Ob sie einen Blick darauf werfen dürfe? Ein anderes Mal, sagte ich. Aber worum handle es sich? Verlegen und linkisch verriet ich ihr die Wahrheit: Aber Marlene, sagte ich, besteht darauf, die Aufnahmen als Erste zu sehen. Unsinn. sagte Charles-Roux, du kannst sie mir ruhig zeigen - ich werde Marlene nicht erzählen, dass ich sie gesehen habe. In meiner Unerfahrenheit zeigte ich ihr die Bilder. Wieder beteuerte sie mir, dass sie nichts verraten werde. [...] Noch am selben Abend besuchte die Vogue-Redakteurin eine von Conde Nast für Marlene ausgerichtete Party und erzählte ihr, sie habe großartige Bilder von ihr gesehen, die von mir stammten. Marlene geriet, wie zu erwarten war, außer sich. Sie rief die Plattenfirma an und tobte. Ich hatte ein heiliges Gesetz gebrochen.
Als sie [Marlene] (schließlich) die Bilder durchsah, notierte sie auf jedem einzelnen Hinweise für die Retusche: das Kinn kürzen, die Taille schmaler machen, den Pickel vom Knie entfernen, der Knöchel sollte schlanker sein etc. [...] Ich retuschierte nichts – ich machte gute Abzüge, von denen ich zwei aussortierte, die sie möglicherweise brüskiert hätten. Die Bildgeschichte wurde weltweit in zahlreichen Zeitschriften abgedruckt, sozusagen als Vorbotin der in der Portraitfotografie stattfindenden Veränderungen - eine Dokumentation, ein neues Genre, das Alexey Brodovitch, der legendäre Mentor und Art Director von Harper's Bazaar, als ‚Portrait in Aktion‘ bezeichnete, ohne Glamour und unretuschiert.
Marlene war von den Bildern begeistert, und jahrelang war ich ihr ‚weißhaariges Mädchen‘ (ich bin früh ergraut) und wurde von ihr zu vielerlei Anlässen bestellt.“
Weitere Aufnahmen der Serie können Sie bis zum 30. März 2025 in unserer Ausstellung „About Eve“ entdecken.


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