Liselotte-Strelow_Malene-Dietrich

Aus der aktuellen Ausstellung Allianzen - Collection 20:1

(Ausstellungsdauer bis 19.12.21 und 13.02. – 06.03.2022, Zutritt zu den regulären Öffnungszeiten, derzeitige Voraussetzung 2G mit entsprechendem Nachweis)

„Sie ist ein versierter Profi, wenn sie vor Pressekameras steht. So auch, als sie ihre neueste Schallplatte in Deutschland vorstellen wollte. Das war 1960 im ‚Parkhotel‘ in Düsseldorf. Natürlich machte sie es spannend und erschien erst um 12 Uhr nachts. Vorher, das wurde uns gesagt, war sie noch in anderen westdeutschen Städten. Natürlich hatte Marlene ihr Make-up erneuert. Das Gesicht wurde von einem weißen, breitkrempigen Hut beschattet. Und der Lippenstift hatte die Farbe hellrot. Diese Farbe kommt bei Blitzlicht am natürlichsten, Profis wissen das, denn die Mode diktierte gerade etwas Lila oder einen hellbläulichen Schimmer jedenfalls. Alle Pressephotographen blitzten also. Nur ich machte bei dem natürlichen Raumlicht, den intimen, roten Lämpchen ringsum, ein paar längere Momentaufnahmen.

Inzwischen lief die Pressekonferenz ab. Eiskalt. Minuten verstrichen, ohne daß jemand wagte, die erste Frage zu stellen. Ich rückte näher.
‚Darf ich Sie photographieren?‘
‚Ja, gibt es denn heute in Deutschland wieder Portraitphotographen ...?‘
Das fand ich schon ganz gut, obwohl es mich traf. Dann fragte endlich jemand: ‚Was halten Sie von der Mode?‘
‚Nichts.‘
‚Das kann ich nicht glauben.‘
Ich glaubte ihr, dieser hochintelligenten, wohlinformierten Preußin, die später erzählte, ihr Spitzname in den USA sei ‚Gretchen‘. Auch das glaubte ich, denn Marlene hatte den ‚deutschen Blick‘, sie ‚himmelte‘ mit ihren schönen Augen etwas.
Zuhause entdeckte ich, daß die rosa Lämpchen Marlenes, den für die Blitzlichter der Photographen gedachten, rosa Lippenstift weggefiltert hatten. Jetzt konnte man die Schmallippigkeit der protestantischen Berlinerin deutlich erkennen. Ich habe nie eine Frau getroffen, die typischer für Berlin gewesen wäre.“

(Liselotte Strelow)