Will McBride: EIN SENSIBLER REALIST
Die erste Retrospektive nach Will McBrides Tod.
Eröffnung am 17. April 2016 um 12 Uhr
Ausstellungsdauer: 17.04.–19.06.2016
Foto oben: Will McBride – Riverboat
Begrüßung und Einführung: Norbert Bunge (Galerie Argus-Fotokunst und Freund des Künstlers) und Dr. Nina Mika-Helfmeier (Leiterin des KuK)
Eintritt frei!
„Seine Bilder zeigen Berlin als einen gezeichneten Ort, in dem sich die neuere Geschichte in besonderer Weise spiegelt. Erkennbar wird ein ganz und gar eigenständiger Fotograf, ein Zeitgenosse, der fraglos in die erste Reihe fotografierender Künstler gehört.“ So unterstreicht der Kunstpublizist Hans-Michael Koetzle den Stellenwert und das Schaffen von Will McBride. Der 1932 im US-amerikanischen St. Louis geborene Fotograf wuchs in Chicago auf. 1955 bekam McBride ein Stipendium, um Philologie in Berlin zu studieren und nebenbei „ein bisschen malen und knipsen“. Es kam anders. McBride verliebte sich in die Stadt der Nachkriegszeit. Nicht die Ruinen machten sein Berlin aus, sondern die Lebensfreude, Ausgelassenheit und die Kraft der dort lebenden Menschen. Mit dem Blick eines kühlen Beobachters und eines Sympathisanten für das rebellische Lebensgefühl im Berlin der 50er und 60er Jahre dokumentierte McBride z. B. das Treiben der Teenager und die Partys am Wannsee oder auf einem Boot.
Die Ausstellung präsentiert rund 120 Arbeiten. Ein Schwerpunkt liegt auf Berlin-Motiven, doch auch Bilder, die für die Zeitschrift „Twen“ entstanden sind, Straßenszenen aus Florenz und die 1964 in Paris aufgenommene Romy-Schneider-Serie werden zu sehen sein.
Die Ausstellung Will McBride – Ein sensibler Realist
Mit 24 Jahren kam der junge Amerikaner, Will McBride nach Berlin. Er hatte während seines Wehrdienstes in Würzburg beschlossen, in Deutschland zu bleiben und Philologie zu studieren. Seine kleine, leichte Leica begleitete ihn in die geteilte Stadt, die sich nach den Zerstörungen des 2. Weltkriegs erst langsam wieder erholte. Doch war McBride nicht darauf gefasst, was ihn dort erwartete: Zwischen Trümmern, Kriegsversehrten und Witwen fand er besonders bei der jüngeren Generation einen unerschütterlichen Optimismus. McBride verliebte sich spontan in die Stadt und ihre Lebensfreude. Seine Absicht, in Berlin neben dem Studium ein bisschen zu knipsen und zu malen, blieb angesichts der zahlreichen faszinierenden Motive nur ein Vorsatz. McBride stürzte sich förmlich darauf, das Leben im Wiederaufbau und die unermüdlichen Anstrengungen der Menschen zu dokumentieren. Er legt den Finger in die noch offene Wunde, doch sein Blick ist nicht melancholisch: Er zeigt vielmehr, wie das Leben und das Aufwachsen inmitten von Ruinen und trotz aller Widrigkeiten möglich war. So entstanden beeindruckende Bilder, die ein fast normales Leben zeigen: Die Berliner Jugend badet im Wannsee, macht in ausgelassener Stimmung Bootsfahrten und feiert zur Musik von Elvis Presley. Und McBride feierte mit. Zum ersten Mal in seinem Leben sei er glücklich gewesen, schwärmte der Fotograf später. Der kühle Beobachter wurde zum Kollaborateur eines rebellischen Lebensgefühls.
1957 hielt sich McBride für einige Zeit in Florenz auf. Er schoß mit seiner Kamera unzählige Bilder, die von Euphorie und Lebensfreude geprägt waren. „Die Straße war eine einzige Bühne. Die Filme liefen durch meine Leica, wie der Wein durch meine Kehle“ erinnerte sich McBride.
Die ursprüngliche Idee seine Fotografien als Vorlage für Gemälde zu verwenden, verwarf er bald und begann als Fotojournalist für Zeitschriften wie „Look“, „Paris Match“, „Life“, „Stern“ und „Brigitte“ zu arbeiten. Dies eröffnete ihm ganz neue Möglichkeiten: So traf er 1963 für die Zeitschrift „Quick“ John F. Kennedy in Berlin, etwas später lichtete er Konrad Adenauer für einen Bildband ab.
Ein großartiges Foto zeigt Kennedy mit wehendem Haar, Adenauer und Willi Brandt, als sie im offenen Wagen durch Berlin fahren, das Brandenburger Tor im Hintergrund. Der junge Kennedy, in den Berlin große Hoffnungen setzte, wirkt auf diesem Foto aber weniger wie einer der wichtigsten Politiker seiner Zeit, sondern mehr wie ein begehrter Rockstar.
Ein weiterer Auftrag führte McBride 1964 nach Paris. Dort nahm er eine Fotoserie mit Romy Schneider auf. Die Bilder zeigen die Schauspielerin, die gerade ihre ersten internationalen Erfolge feierte ganz privat in ihrer Wohnung. Dabei hatte Schneider erst kurz zuvor ein schwieriges Jahr überwunden. Die Trennung von Alain Delon hatte sie in eine Krise gestürzt, die mit einem Suizidversuch geendet hatte. McBride zeigt mit seiner einfühlsamen Art die unterschiedlichen Facetten dieser faszinierenden Frau: lachend und verspielt, aber auch unnahbar und melancholisch.
Internationale Berühmtheit erlangte Will McBride vor allem durch seine Fotoreportagen für die Jugendzeitschrift „Twen“, die von 1960-1971 erschien ist. Mit der Kultzeitschrift fand McBride früh eine redaktionelle Heimat für seinen sensiblen Realismus. „Seine Bildgeschichten zeugen von einem neuen Lebensgefühl, von der Hoffnung auf jenen „neuen Menschen“, der die Parole „Make Love, Not War“ zur Maxime erhob. Ausgelassene Jugendliche auf Vespa-Rollern oder während Partys sowie Schüler des Salem Internats und die Darsteller der „Hair“-Aufführung in München, nackt in Pappkartons übereinandergestapelt: derlei Motive wurden zu Symbolbildern einer Jugend, die sich gegen die kleinbürgerliche Zufriedenheit der Adenauer-Ära auflehnte und schon bald in Drogenrausch und ausgelebter Sexualität die alten Lebensmuster sprengte.“ (Freddy Langer, FAZ vom 30.1.2015)
McBrides Fotos sind Zeugnisse eines neuen Bohème-Lebensstils, den er auch selbst lebte. So inszenierte er für eine seiner Fotoreportagen sich selbst und seine Frau beim intimen Frühstück im Bett. Mehr und mehr verwischte die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben des Fotografen. McBrides Bilder und sein offener Umgang mit Sexualität lösten aber auch Empörung aus. Skandalös empfunden wurden die Bilder seiner schwangeren Frau Barbara und der Dokumentation der Geburt seines ersten Sohnes. Es war die Zeit der freien Liebe, der Drogen und des Vorsatzes die prüde Gesellschaft zu liberalisieren.
Vor allem das erfolgreiche Aufklärungsbuch „Zeig mal!“, das er in Zusammenarbeit mit einer Schweizer Psychologin machte und 1974 im Jugenddienst-Verlag veröffentlichte, führte in den 1990er Jahren zu zahlreichen Kontroversen. McBride verstand das Buch, das sich vorwiegend an Teenager richtete, als Ansatz locker und unbefangen mit dem Thema Nacktheit umzugehen. Da es aber auch Bilder von Kindern enthält, bestand die Kritik darin, dass eine eindeutige Abgrenzung zur Sexualität Erwachsener fehle. Das führte dazu, dass die englische Fassung „Show me!“ auch heute in den USA nicht mehr erhältlich ist.
Nach dem Mauerbau hatte McBride Berlin verlassen und lebte mit seiner Frau Barbara Wilke und den drei gemeinsamen Söhnen in München. 1969 trennte sich das Paar und drei Jahre später verließ McBride München. Er zog sich mit seinem Freund in die Toskana zurück. Dort widmete er sich hauptsächlich der Malerei und Bildhauerei. 1983 eröffnete er in Frankfurt ein Fotostudio. Dass Berlin einen Wendepunkt im Leben von McBride bedeutet hatte und sie ihn sein Leben lang begleitete, verdeutlicht seine Aussage: „Berlin sensibilisierte und änderte meine Sehweisen“. McBride kehrte 1998 nach Berlin zurück. Doch Berlin hatte sich verändert und war ihm fremd geworden. Er fotografierte zwar immer noch täglich, nutzte die entstandenen Bilder aber hauptsächlich als Material für seine Malerei. Darüber hinaus arbeitete er jahrelang an einem Friedensdenkmal. Die monumentale Installation „No War!“ umfasst 200 Bronzeskulpturen und Gemälde.
Nach schwerer Krankheit starb McBride 2015 in Berlin.
Tanja Wessolowski
Foto 1: Will McBride – Riverboat / Foto 2: Will McBride – Romy
Kollaborateur eines rebellischen Lebensgefühls
Will McBrides großartige Fotokunst in Monschau
Monschau. Gestaltgewordene Unruhe am Ckeckpoint Charly, Momente zwischen Aufräumen und Aufbauen, zwischen Ruinen und erster aufkeimender Lebensfreude, viele Gesichter von Politkern die Weltgeschichte schrieben wie Konrad Adenauer, Willi Brandt oder John F. Kennedy, bekannte Persönlichkeiten wie Romy Schneider, - aber auf jeden Fall immer Berlin, Berlin, Berlin. Eine Stadt, bombardiert, geschunden, eigentlich kurz vor dem Exodus durch das Eingreifen der Alliierten- aber doch schon voller Hoffnungen, geläutertem Wiedererwachens der Lebensfreude derer, die den Kriegswahnsinn überlebten, einfach weiter machen müssen und wollen. Berlin nach dem Krieg - für einen sensiblen und jungen talentierten Fotografen, wie dem Amerikaner Will McBride, ein Eldorado an Motiven, die Geschichte schreiben werden. Die in seinen Fotografien immer stets präsente, dichte Atmosphäre zeichnet markanter Weise jedoch nicht die Tristesse der damaligen Zeit, sondern die zarte Lebensfreude der Menschen. McBrides Bilder sollen vor allem eines deutlich zeigen: das wahre Selbst!
"Die Fotokunst ist ein Genre, das sich schon lange aus einer Nische heraus entwickelt hat und ein echter Publikumsmagnet ist. Auch hier im Kunst- und Kulturzentrum der Städteregion Aachen in Monschau. Somit ist das KuK zwar ein historisches Kleinod an der Rur, aber längst kein Geheimtipp mehr", erklärte Axel Hartmann, Allgemeiner Vertreter des Städteregionalrats, bei seiner Eröffnungsrede der Vernissage vor einem großen Publikum in Monschau. Er konstatierte dem KuK, dass das Image dieses etwas anders geführten Museums gut sei und zu starken Netzwerken geführt habe, sowohl bei Kunstschaffenden als auch bei Galeristen, Kuratoren und Fotografen weltweit. "Heute eröffnen wir nicht einfach nur eine monografische Schau mit einem Querschnitt aus Will McBrides Schaffen, sondern die erste Retrospektive nach seinem Tod. Das KuK der Städteregion ist also das erste Haus weltweit, das nach dem Tod des Fotografen im Januar 2015 in Berlin dessen Kunst einem breiten Publikum zur Diskussion stellen kann", so Hartmann weiter. Einige seiner Arbeiten, die in Monschau zu betrachten sind, sind noch nie einer Öffentlichkeit präsentiert worden - ein Statement, das verdeutlicht, wohin sich das KuK entwickelt. Insgesamt 150 Arbeiten des Fotografen sind Dank der Galerie Norbert Bunge und anderer, privater Sammler aktuell im KuK zu sehen.
Ein sensibler Realist
Der großartige Fotokünstler Will McBride hat retrospektiv eine ganze Generation junger Fotografen beeindruckt und inspiriert. Als 24 Jähriger kam der junge Amerikaner nach Berlin. Während seines Wehrdienstes in Würzburg beschloss er, in Deutschland zu bleiben. Doch was den Philosophiestudenten im Nachkriegsdeutschland erwartete - darauf war er nun doch nicht gefasst: Zwischen Trümmern, Kriegsversehrten und Witwen fand er besonders bei der jüngeren Generation einen unerschütterlichen Optimismus. McBride verliebte sich spontan in die Stadt und ihre Lebensfreude. Seine Absicht, in Berlin neben dem Studium ein bisschen zu knipsen und zu malen, blieb angesichts der zahlreichen faszinierenden Motive nur ein Vorsatz. Er stürzte sich förmlich darauf, das Leben im Wiederaufbau und die unermüdlichen Anstrengungen der Menschen zu dokumentieren. Er legt den Finger in die noch offene Wunde, doch sein Blick dabei ist nicht melancholisch. Vielmehr zeigt er das Leben und das Aufwachsen inmitten der Ruinen, das trotz aller Widrigkeiten möglich war. Seine Fotografien zeigen eine Berliner Jugend badend im Wannsee, die ausgelassen Bootsfahrten machen und dabei zur Musik von Elvis Presley feiert. Und McBride feiert mit. Zum ersten Mal in seinem Leben sei er glücklich gewesen, schwärmte der Fotograf später. Der kühle Beobachter wurde zum Kollaborateur eines rebellischen Lebensgefühls.
Seine ursprüngliche Idee seine Fotografien als Vorlage für Gemälde zu verwenden, verwarf er bald und begann als Fotojournalist für Zeitschriften wie "Look", "Paris Match", "Life", "Stern" und "Brigitte" zu arbeiten. Internationale Berühmtheit erlangte McBride vor allem durch seine Fotoreportagen für die Jugendzeitschrift "Twen", die von 1960-1971 erschienen ist. Mit der Kultzeitschrift fand er früh eine redaktionelle Heimat für seinen sensiblen Realismus. "Seine Bildgeschichten zeugen von einem neuen Lebensgefühl, von der Hoffnung auf jene "neuen Menschen", der die Parole 'Make Love, Not War' zur Maxime erhob. Ausgelassene Jugendliche auf Vespa-Rollern oder während Partys sowie Schüler des Salem Internats und die Darsteller der 'Hair'-Aufführung in München, nackt in Pappkartons übereinandergestapelt. Seine Motive wurden zu Symbolbildern einer Jugend, die sich gegen die kleinbürgerliche Zufriedenheit der Adenauer-Ära auflehnte und schon bald in Drogenrausch und ausgelebter Sexualität die alten Lebensmuster sprengte." (Freddy Langer, FAZ vom 30.1.2015).
Nach dem Mauerbau hatte McBride Berlin verlassen und lebte bis zur Trennung 1969 mit seiner Frau Barbara Wilke und den drei gemeinsamen Söhnen in München. Danach zog er sich mit seinem Freund in die Toskana zurück, um sich dort hauptsächlich der Malerei und Bildhauerei zu widmen. Nachdem er 1983 ein Fotostudio in Frankfurt eröffnete, kehrte er 1998 nach Berlin zurück.
Die Ausstellung "Will McBride: Ein sensibler Realist" ist bis Sonntag, 19.6.2016 in den Räumlichkeiten des KuK, Austraße 9, 52156 Monschau, kostenfrei zu sehen. Öffnungszeiten:
Di - Fr: 14 - 17 Uhr, Sa, So: 11 - 17 Uhr. Montags geschlossen. Parken direkt am Haus auf der Straße oder im Parkhaus möglich.
(avl)
Eröffneten eine weitere Fotoausstellung von Weltformat: (v.l.n.r.:) Axel Hartmann, Dr. Nina Mika-Helfmeier und Norbert Bunge.
Foto: van Londen