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HerbertList 01

Herbert List: THE MAGICAL IN PASSING

Eröffnung am 12. Februar 2017 um 12 Uhr
Ausstellungsdauer: 12.02.–23.04.2017

 Foto oben:„The Egg-Despiser“, Hamburg, Germany, 1931 © Herbert List/Magnum Photos

Begrüßung: Helmut Etschenberg (Städteregionsrat)
Einführung: Peer-Olaf Richter (Leiter des Herbert List Nachlasses, Hamburg) und Nina Mika-Helfmeier (Leiterin des KuK Monschau)

Eintritt frei!

Einen Querschnitt seines vielfältigen Schaffens zeigen 122 Arbeiten in „The Magical in Passing“. Diese Auswahl beleuchtet das schwer fassbare Œuvre des deutschen Fotografen und warum es so schwer ist, seine Arbeit zu kategorisieren. Er arbeitete in fast allen Genres, die die Fotografie zu bieten hat: Architektur, Stillleben, Streetfotografie, Porträts und Dokumentation. Dennoch verwischte er auch die Abgrenzung zwischen diesen Bereichen: Architektonische Aufnahmen scheinen wie komponierte Stillleben oder surreale Kompositionen. Die Dokumentation von griechischen Skulpturen oder afrikanischen Artefakten grenzt an Porträts; und wenn er die klassische Schönheit des männlichen Körpers einfängt, weiß man nicht genau, ob wir uns mühevoll komponierte Arrangements anschauen oder ein privates Fototagebuch, das spontan gemacht wurde.


 

Spiritueller Flaneur

Eröffnung der Herbert-List-Ausstellung am 12.2.2017 im KuK

 

Der antike König Midas verwandelte alles was er berührte in Gold. Das war selbstverständlich ein Fluch, weil sich der Hirschbraten und alles andere, das er verspeisen wollte, ebenfalls in Gold verwandelte.
Herbert List, obwohl als reicher Kaufmannssohn 1903 in Hamburg geboren, blieb derartiges Leid erspart. Stattdessen verwandelte er per "Fotografia metafisica" alles was ihm vor die Linse kam in… Magie.
Die lichtgebadeten, erotisch aufgeladenen Männerkörper an den Gestaden des antiken Griechenlands („Unter dem Poseidon Tempel“, 1938), ebenso wie der in seinem Glas vom Goldfischgott und der Welt isolierte Zierfisch („Goldfisch“, 1937) oder der auf einer riesigen Treppe einem nie erreichbaren Neuen Jerusalem entgegenstrebende Geistliche in Rom („Die Treppe zum Himmel“, 1949), sind auf eine ästhetisch präzise Weise immer sie selbst – gleichzeitig verweisen sie auf platonische Sehnsuchtsräume, auf das überirdisches Reich der Ideen und die "Erkenntnis höherer Welten“.

Mit seiner surrealistisch-metaphysischen Methode sublimiert List seine Anschauungsobjekte – jetzt kommen wir doch noch auf König Midas zurück – mit einer goldenen Lasur des Spirituellen. Egal ob es sich um Menschen, Landschaften oder vorgeblich unbelebte Alltagsgegenstände handelt, findet List Wege, seine Spiritualität in einer Möbiusschleife mit Erotik und Begehren zu verbinden. Die Kleiderpuppe einer Schneiderei („Die Sklavin I“, 1931) mutiert zur anonymen Wollust einer Junggesellenmaschine, ein banaler Gebrauchsgegenstand verschmilzt mit einem anderen in inniger Umarmung zur Idee des Schneeweißen mit der des Nachtschwarzen. ("Kanne auf Brüstung“, 1932).

List selbst sprach gerne von den "geheimnisvollen Ehen", wie sie zwischen Tisch und Stuhl, Glas und Flasche bestehen. Stühle z.B. inszeniert er des öfteren als Stellvertreter des Menschen. In „Oktopus“, 1932, etwa fotografiert er vor mediterraner Landschaft eine über zwei Stühle gelegte Stange, darauf einen Tintenfisch. Das Rätsel des Numinosen betritt dabei die Bühne durch die Kontraste von stehen und hängen, senkrecht und waagerecht, glatt und genoppt. Die rücklings aufgestellten Stühle bilden den theatralischen Rahmen dieser "Konferenz der Dinge".
Wem diese romantisierende Belebung des Unbelebten zu weit hergeholt scheint, betrachte einmal die poetische Hommage an das Liebesleben der Möbel in der Arbeit „Rendezvous“, 1937, oder die freundschaftliche Eintracht der beiden Sonnenbrillen („Luzerner See“, 1936). Nicht zu vergessen, das Traumpaar besinnlicher Fortbewegung, „Fahrräder“ von 1930.

Im Vergleich zu den zuletzt im KuK gezeigten Fotografen Ken Heyman, Will McBride oder Berenice Abbott war Herbert List am wenigsten Gebrauchsfotograf und am meisten Künstler. Obwohl seit 1951 Vollmitglied bei Magnum (eine Ehre, die außer ihm nur zwei weiteren deutschen Fotografen zuteil wurde) nahm List nur selten Aufträge an. Stattdessen widmete er sich freien Projekten, wie seinem ersten Buch „Licht über Hellas“, oder der späteren Serie des im Krieg zerbombten Münchens, die er in ähnlicher Ästhetik wie die antiken Ruinenwelt Griechenlands ins Bild setzte.
Zu seinen wichtigsten künstlerischen Einflüssen gehörten die weiten Räume und das geometrische Pathos von Giorgio de Chiricos Kugeln, Kegeln und Zylindern und natürlich der Surrealismus, insbesondere die Fotografien Man Rays.

Die antibürgerliche Provokationsfreude des Surrealismus passte hervorragend zu Lists Lebensstil des libertären Bohémien, den er als gut betuchterKaufmannssohn mit Eleganz und vollendeten Umgangsformen zur höchsten Raffinesse trieb.
Lists Ästhetik war im allerbesten Sinne bildungsbürgerlich und elitär in ihrem universellen Kenntnisreichtum der antike Mythen und der Feinheiten der Kunstgeschichte.
Zu seinen frühesten Arbeiten gehört z.B. eine Huldigung an den Maler Seurat: „Picknick an der Ostsee“ (1930). Die statische Anordnung der Figuren wirkt wie eine Blaupause zu Seurats berühmtesten Gemälden: „À la Grande Jatte“ und „Une baignade, Asnières“, beide von 1883/84. Verblüffend auch die Nähe seiner Aufnahme von 1953, „Letzter Schnee“, 1953) zur Ästhetik des abstrakten Expressionismus und des Informel. Dass er eines seiner größten Idole, Giorgio de Chirico, 1951 rotzfrech in der Anmutung einer knollennasigen Figur aus Hergés „Tintin“-Comics halb im Bademantel portraitierte, verweist auf eine weitere Qualität Herbert Lists, die wir keinesfalls vergessen wollen: Humor.

Gabor Baksay