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Sandro Miller: MALKOVICH MALKOVICH MALKOVICH – Homage to Photographic Masters

Eröffnung am 30. April 2017 um 12 Uhr
Ausstellungsdauer: 30.04.–02.07.2017

 Foto oben: „Diane Arbus Identical Twins, Roselle, New Jersey (1967)“, © Sandro Miller, 2014 Mit freundlicher Genehmigung der Catherine Edelman Gallery, Chicago

Begrüßung: Helmut Etschenberg (Städteregionsrat)
Einführung: Nina Mika-Helfmeier (Leiterin des KuK Monschau)

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.

Eintritt frei!

Der legendäre Schauspieler John Malkovich hat mit dem Fotografen Sandro Miller ein außergewöhnliches Fotoprojekt verwirklicht. John Malkovich spielte in seiner Karriere viele komplexe Rollen: einen Schurken, einen Geheimagenten, einen Intellektuellen, einen Wissenschaftler, einen Künstler, einen skrupellosen Intriganten und einen bösen König. Im Rahmen dieses Projektes schlüpfte er gleich mehrmals in ganz verschiedene Rollen, indem er zahlreiche ikonische Fotografien nachstellte. So sehen wir John Malkovich als Alfred Hitchcock with Goose, als Che Guevara, als Marilyn Monroe, als Meryl Streep, als Albert Einstein, als Salvador Dalí oder als Muhammad Ali – verblüffend ähnlich den zum Vorbild genommenen ikonischen Fotografien und doch anders als die Originale. Die Ausstellung wird zum ersten und einzigen Mal in Deutschland hier im KuK präsentiert.


 

Eröffnung der Sandro-Miller-Ausstellung „MALKOVICH, MALKOVICH, MALKOVICH …“ am Sonntag im KuK, Monschau.

Hätte Sandro Miller, einer der weltbesten Werbefotografen, hier nichts anderes getan, als in einer strategisch, organisatorischen Meisterleistung 130 der von ihm am meisten verehrten Klassiker der Fotografie neu arrangiert und mit seinem Freund John Malkovich als einzigem Modell so gewissenhaft wie möglich reproduziert, wäre ihm zweifellos auch eine tolle Ausstellung geglückt. So unterhaltsam es ist, die teilweise kaum glaubliche Detailgenauigkeit der Duplikate zu bewundern, so kurzweilig der sportliche Wettbewerb der Ausstellungsbesucher: „Wer erkennt die Originalfotografie“ ebenfalls ist, so sehr wäre das alleine, eine zwar gute, aber eben nur „Just another Ausstellung“.

Da aber, mit dem luziferischen Faszinosum der Show, ihrem pechschwarzen Pik Ass, dem metrosexuellen „Jack of Hearts“ in Gestalt von John Malkovich Mr. Mystery höchstpersönlich die Bühne betritt, haben wir hier weit mehr als eine gelungene Ausstellung: Die künstlerische Beschwörung eines der unheimlichsten Motive der Romantik – den Doppelgänger.
Zunächst aber gilt es, die Wandlungsfähigkeit dieses Mannes wie aus Knetgummi gebührend zu bewundern. Dabei spielt es keine Rolle, ob er der dicke Mann mit Gans (Alfred Hitchcock), der SEHR dicke Mann mit Mephisto-Bart (Orson Welles) oder eine erschreckend abgewirtschaftete, mit einem Bein bereits im Grab stehende Marilyn Monroe ist – immer gelingt es diesem Mann, seine markanten Gesichtszüge quasi ungeschehen zu machen, sie, unsichtbar geworden, in den Dienst der guten Sache zu stellen.

Eine Meisterleistung der Selbst-Zurückname ist das Portrait als treu-dumm grinsender Jean Paul Gaultier nach einer Aufnahme der französischen Könige der Kitschfotografie: Pierre et Gilles. Dieses blonde Dummchen hat nicht das allergeringste mit John Malkovich gemeinsam – mit Jean Paul Gaultier übrigens auch nicht. Es handelt sich um ein reines Kunstprodukt, das nicht von dieser Welt, sondern im Reich der Platonischen Ideen angesiedelt ist und NICHT aussieht wie Malkovich oder Gaultier, sondern wie die pervertiert-verpeilte Idee eines Jean Paul Gaultier vom Planeten Malx Ovix 23.

Es ist kein Zufall, dass Malkovich, nach einer Reihe von Achtungserfolgen, seinen internationalen Durchbruch 1988 als raubtierhaft androgyner Vicomte de Valmont in dem Film „Gefährliche Liebschaften“ hatte. Malkovichs maskenhaftes Rokoko-Gepuder ließ die monströse Libido des reißenden, die Frauenherzen zum Frühstück verspeisenden Wolfs nur erahnen und gerade deshalb um so bedrohlicher erscheinen.

Ähnliches geschieht in Millers Portrait von Malkovich als „Andy Warhol Selbstportrait mit Perücke.“ Bei diesem semiotischen Endlosloop in den Echokammern der Erinnerung zieht es einem buchstäblich den Teppich unter den Füßen weg. In diesem Bild stimmt eigentlich alles und genauso gut gar nichts. „Ist das wirklich Malkovich oder vielleicht doch… Warhol?“ „Malkowich? Warhol? Malkovich?…“

Es dauert eine Weile, bis man zweifelsfrei bemerkt, dass Malkovich mit Warhol nicht die geringste Ähnlichkeit hat, sich aber gleichzeitig nicht erinnern kann, wie Warhol überhaupt aussieht. Trotzdem hat man das unheimliche Gefühl, vor einem Bild zu stehen, das originaler als das Original, den späten Warhol und keinen anderen zeigt. Der „Schwindel“, der einen vor diesem „Trugbild“ ergreift, ist im wörtlich doppelt zu verstehen: Als verwirrtes „aus der Bahn geraten“ und als „betrogen werden“.

Der Abgebildete und der Abbildende bilden hier einen Faustischen Pakt: Das luziferisch feurig-rot der Figur und das bedrohlich phallisch Medusenhaupt der Perücke addieren sich mit dem doppelten Minus der „Persönlichkeiten“ Warhols und seines Widergängers zu etwas zutiefst Unheimlichen: der Identität von Sein und Nichtsein in der Figur des Doppelgängers.
Noch mehr als Malkovich beherrschte Warhol die Kunst des Verschwindens – seinen Wesenskern (falls es derartiges überhaupt gibt?) hinter eigenschaftsloser Unsichtbarkeit verschwinden zu lassen. Den „wahren“ Warhol zu suchen ist ebenso müßig, wie den wahren Malkowich auf eine Identität festnageln zu wollen.

Das lateinische „Persona“ beschreibt keine Substanz, sondern eine Maske. Identität gibt es ebenso wenig wie den Lacanschen „Großen Anderen“, den wir bei jeder menschlichen Interaktion stillschweigend hinzudenken, aber begrifflich nie fassen können.

Die Alpträume des Kindes und die Ängste des Wahnsinnigen gehen darum, das Ich zu verlieren, bzw. zu erkennen, dass man es nie gehabt hat. Selbst die Verdopplung des Ich zum Doppelgänger, führt nur zur Auslöschung des Ich durch den Doppelgänger, wie es in Dostojewskis Erzählung mit Gänsehautgarantie durchexerziert wird.

Positiv lässt sich das umformulieren, in dem man sagt:
Das Subjekt kann sein, was es will – oder im existenzialistischen Jargon gesagt:
Es ist frei, seine Identität zu wählen.
Freiheit ist unheimlich.

(Gabor Baksay)