Stefan Moses: Anton Anton Corbijn: R.E.M. in Los Angeles, 1996
Werk des Monats Mai. Anton Corbijn: R.E.M., Los Angeles, aus der Serie „Star Trak“, 1996
Einem ganz besonderen Porträt widmen wir uns im Monat Mai. In den 1990er Jahren hält sich Anton Corbijn viel in Kalifornien auf, um mit direktem Sonnenlicht zu experimentieren und neue Motive zu entdecken.
Schon zu dieser Zeit erfreuten sich seine Fotografien großer Beliebtheit, sodass er mehrere Stars davon überzeugen kann, vor seiner Linse zu posieren. So entstehen in der Reihe „Star Trak“ unter anderem Porträts von Frank Sinatra, William Burroughs oder Clint Eastwood. Alle Aufnahmen schießt Corbijn mit einer 6x6 Mittelformat-Kamera und lässt sie in einem speziellen Verfahren entwickeln, um sowohl die Schwarz-, als auch die Sepia-Töne zu erhalten.
Mit dem Fotografieren von Musikern begann Corbijns Karriere in den 70er Jahren, sodass es nicht verwunderlich ist, dass ebenfalls viele Musikgrößen Teil von „Star Trak“ sind. 1996 konnte die Band R.E.M. bereits auf viele große Erfolge zurückblicken, sie gilt zu dieser Zeit als eine der erfolgreichsten Alternative-Rock-Bands. Betont lässig inszeniert Corbijn das Quartett, das seinem Namen übrigens einem Zufall verdankt. Auf der Suche nach einem Bandnamen schlug Sänger Michael Stipe ein Wörterbuch auf und landete beim Eintrag für ‚Rapid Eye Movement‘, also einer bestimmten Schlafphase, in welcher besonders viel geträumt wird.
In einem Innenraum, der mit seinen unverputzten Wänden eher einem Rohbau ähnelt, widmen sich die Musiker intensiv ihrer Buchlektüre. Fast schon demonstrativ wirkt die Nichtbeachtung der Kamera, während die Sonnenbrillen der beiden rechten Bandmitglieder den Eindruck verstärken, dass die Bücher als Requisiten nur zur Hand genommen wurden, um mit der Ikonografie von Bandfotos zu brechen. Ebenso wenig „zufällig“ erscheint die Tatsache, dass sich unter den gelesenen Büchern Mike Davids ‚City of Quartz‘ befindet, welches nachzeichnet, wie Los Angeles, getrieben durch kapitalistische Entwicklungen, immer mehr zu einer dystopischen Stadt wird. Geradezu ironisch wirkt Michael Stipes T-Shirt, das mit „Don’t worry – be happy“ eine Art Gegengewicht zur Lektüre und den ernsten Minen der Porträtierten bildet. Für eine behutsam durchkomponierte Aufnahme spricht ebenfalls die Tatsache, dass Stipe während der Lektüre in der Luft schwebt und genau im richtigen Moment des Sprungs festgehalten wurde.
2011 widmete das Fotografie-Forum (damals noch KuK) Anton Corbijn eine umfassende Einzelausstellung, in der auch dieses Bild präsentiert wurde. Als eine der ersten Arbeiten konnte das Porträt angekauft werden und bildete, gemeinsam mit wenigen weiteren Werken, den Grundstock der heutigen Sammlung des Fotografie-Forums.